Die senkrechten Streifen wurden mit dem Spachtel aufgetragen, auf eine zweite Platte die waagerechten. Beide Platten wurden aufeinander gepresst und dann wieder getrennt. Die erste Platte wurde mit einem Stahlmesser aus einer Schneidemaschine in einem Zug abgerakelt.
Der erste Roman von John Updike, den ich gelesen habe, war „Couples“. Das war der Beginn einer anhaltenden Freundschaft zu einem Autor, den man aber nur durch sein Werk kennt. John Updike gelingt es, wie ich es bei keinem anderen Autor bisher gefunden habe, Dialoge, inneren Monolog, Gefühle und Körpersprache präzise darzustellen, ineinander zu verweben und, was häufig übersehen wird, Spannung ohne Spektakel zu erzeugen. Was hat das alles mit dem Bild zu tun? Mit dem Inhalt nichts. Es ist aber wie die „Rabbit“-Tetralogie in Etappen geschaffen worden. Ich habe die erste Tafel des Bildes, die in der Bildmitte, als Einzelbild gemalt, als ich von John Updike noch gar nichts gelesen hatte. Auch die Erweiterung auf vier Tafeln, von der Familie „Der Komet“ genannt, habe ich aus rein künstlerischen Gründen unternommen. Ich habe das Bild erst dann John Updike gewidmet, als es seine gegenwärtige, dritte Form angenommen hat. Eine Entscheidung, ob ich es noch einmal erweitere, habe ich noch nicht getroffen. Die Bildidee war, einen kreisförmigen Farbverlauf zu erzeugen von Weiß über Bunt zu Schwarz. Die ganze Bildfläche bedeckt ein quadratisches Linienraster mit Feldern von 1 cm² Grösse. Das wird überlagert von Kreisringen immer gleicher Breite, die einen gemeinsamen Mittelpunkt haben. Der liegt im Schnittpunkt zweier Geraden, die jeweils die lange und kurze Bildseite im Goldenen Schnitt teilen. Für jeden Kreisring habe ich eine spezifische Folge von Farbfeldern festgelegt. Dann begann das Malen. Nicht mit Farben, sondern nur mit dem Bleistift geschriebene Zahlen als Code für Farben auf einen 1:1 grossen Papierplan. Ich folgte zwei Regeln. Beginnend in der Mitte schrieb ich die Zahlen spiralförmig umeinander herum, aber nur auf waagerechten oder senkrechten Bahnen, ohne diagonale Züge. Befand ich mich innerhalb eines Kreisrings, so wurde die für diesen Kreisring festgelegte Farbfolge immer wieder aneinander gereiht. Nach Überschreiten einer Grenze zum nächsten Kreisring wurde die nun geltende Folge gemalt. Die zweite Regel besagte, dass zwei gleichfarbige Felder nicht Seite an Seite liegen durften. Wenn dieser Fall eintrat, und das war nicht selten, änderte ich an dieser Stelle die Reihenfolge der Farben. Das Ergebnis, das sich dann beim Malen mit Farben ergab, überraschte mich. Sowohl die lokal unterschiedlich ausgeprägte Musterbildung als auch die Spannung zwischen den senkrecht und waagerecht laufenden Folgen und dem kreisförmigen Farbverlauf, die das Bild lebendig machen.
Auf die Druckplatte habe ich neun Farbhaufen kreisförmig platziert. Jeder Haufen bestand aus neun Primär- und Sekundärfarben. Die Reihenfolge der Farben war von Haufen zu Haufen um je einen Platz verschoben. Dann legte ich die Acrylscheibe darüber. Darauf einige Spanplatten zur Verstärkung. Auf dieses Sandwich setzte ich vier Paletten Papier mit einem Gesamtgewicht von etwa drei Tonnen. Diesen Druck ließ ich mehrere Wochen lang wirken. Der größte Teil der Farbe wurde herausgepresst. Der Rest war das Bild.
(Bei subtraktiver Farbmischung sind die Primärfarben: Gelb, Magenta, Cyan. Die Sekundärfarben sind Mischungen aus zwei Primärfarben.)
Ich habe sieben Farbtöne gewählt, die Mischungen von Gelb und Cyan sind, die Grenzen Gelb und Cyan eingeschlossen. Zu jedem dieser Töne habe ich drei Varianten mit ansteigendem Weissanteil, drei Varianten mit ansteigendem Schwarzanteil und drei Varianten mit ansteigendem Grauanteil gemischt. Alle Farbfelder habe ich zufällig platziert. Somit habe ich eine Zufallsstichprobe eines Segments des CIE-Lab-Farbenraums erzeugt, bei dem die drei Raumkoordinaten Farbton, Sättigung und Helligkeit gleichermaßen berücksichtigt sind
In der graphischen Industrie werden die Halbtöne der Fotographie durch Rasterung imitiert. Es gibt zwei Methoden. Bei der herkömmlichen, autotypischen Rasterung variiert die Punktgröße bei konstanter Punktzahl und festem Ort jeden Punktes. Bei der stochastischen Rasterung ist die Punktgröße konstant und die Punktzahl variiert, die Orte der Punkte werden zufällig festgelegt. Die beiden Tafeln stellen die stochastische Rasterung eines Tonwertes von 88,9 % dar. Die Bildidee ist, dass der Freiheitsgrad der zufälligen Platzierung der Punkte graduell variiert und ein Verlauf ansteigender„Körnigkeit“ entsteht. Am linken Bildrand ist erkennbar, dass bei einer „Körnigkeit“ mit dem Wert 0 der stochastische und der autotypische Raster ineinander übergegangen sind, allerdings in erheblich unterschiedlicher Auflösung.
Die Druckerei, in der ich gearbeitet habe, feierte 1995 ihr 30-jähriges Bestehen. Gefeiert wurde auf einem Betriebsausflug mit Schiffahrt auf dem Rhein, bei dem ich fotografiert habe. Aus dem entsprechenden Fotoalbum konnten die Kollegen Bilder bestellen. Wie häufig jedes Bild bestellt worden ist habe ich farbig markiert durch Abstufungen einer Mischung aus Transparentweiß und Violett. Je häufiger ein Bild bestellt worden war, umso dunkler ist das entsprechende Feld. Transparentweiß, gerade wenn es so dick aufgetragen ist wie hier, ist natürlich nicht transparent, sondern schmutzig gelb und dieser gelbe Farbanteil verschiebt das Violett ins Schwärzliche.
Für den Betrachter erscheinen die Farbfelder rein zufällig angeordnet zu sein. Für mich als Fotograf und Teilnehmer am Fest spiegeln die Häufigkeiten der Bildbestellungen eine abstrakte Geschichte des Festes wider, verzerrt durch die Interessenlage der Kollegen an einer Bildbestellung. Kollegen bestellen Bilder, auf denen sie zu sehen sind und Bilder von wichtigen Ereignissen wie Chefansprache.
Die Bilder sind chronologisch im Fotoalbum, so dann auch auf dem Bild von links oben nach rechts unten angeordnet. Die Geschichte liest sich für mich so:
Herumstehen und warten auf das Schiff. Fotos von kleinen Gruppen. Fahren mit dem Schiff. Landschaftsfotos. Einkehren ins Lokal. Offizieller Teil. PR-Fotos. Dann gemütlich Essen, Trinken, Tanzen. Dann nur noch Reden, Trinken, Lallen. Portraitaufnahmen, da die Kollegen mich mit der Kamera nicht mehr wahrnehmen.